Institutsgeschichte
Ausgehend von den technischen Entwicklungen in den USA wünschte man sich gegen Ende der 50er Jahre auch in der Bundesrepublik eine Forschungseinrichtung, um die Wissenschaft mit den Möglichkeiten der neuen Technik zu unterstützen. Zu diesem Zweck richtete der Bund 1961 – als es an deutschen Universitäten noch keine Computer gab – das Deutsche Rechenzentrum ein.
Rechnen war damals Dienstleistung wie auch knappe 50 Jahre später noch. Im DRZ stand Wissenschaftlern aller Fachdisziplinen die Rechenleistung eines IBM-Großrechners zur Verfügung und die Mitarbeiter des DRZ halfen den Wissenschaftlern, ihre Probleme mit Hilfe von Software zu lösen: Ob Archäologie, Betriebswirtschaft, Biologie, Kernphysik oder Weinbau – in den 60ern pilgerten zahllose Wissenschaftler Deutschlands nach Darmstadt, um komplexe Berechnungen durchzuführen, zu denen sie selbst weder die Ausrüstung noch die erforderlichen technischen Kenntnisse hatten. Von Anfang an gehörte zur Zielsetzung des Deutschen Rechenzentrums auch Eigenforschung, um die technische Entwicklung der Großrechner zu begleiten und zu befördern.
Entstehung des Internet
Nachdem es mit dem Arpanet gelungen war, Rechner miteinander zu verbinden, rückte Anfang der 70er Jahre auch im DRZ die Kommunikation zwischen den Maschinen in den Forschungsmittelpunkt. Diese Forschungsarbeiten wurden angegangen, nachdem sich das DRZ 1973 mit anderen zwischenzeitlich auf diesem Gebiet forschenden Einrichtungen in Deutschland zur Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) zusammengeschlossen hatte. Dadurch wurden Ressourcen gebündelt und Arbeitsgruppen vernetzt.
Geprägt war diese Phase besonders durch den damaligen Institutsleiter Prof. Dr. Eckart Raubold. Das neu entstandene Institut für Datenfernverarbeitung engagierte sich in der Entwicklung von Protokollen und Standards für den reibungslosen Datenaustausch auf den Netzschichten wie auch in der Entwicklung erster netzbasierter Anwendungen. So wurde der erste Knoten für X.400-Email innerhalb Deutschlands im Institut für Datenfernverarbeitung entwickelt und betrieben. In dieser Zeit konkurrierten unterschiedliche Netzwerkprotokolle, bis sich in den der 80er Jahren TCP/IP durchsetzte. Bereits in dieser Zeit spielten erste Fragen der Sicherheit und der Stabilität eine Rolle.
Anwendungsforschung mit Industriepartnern
Dies intensivierte sich mit Beginn der 80er, als das Institut und seine Partner anfingen, sich mit den Anwendungen moderner Kryptographie und deren Nutzung für elektronische Transaktionen zu beschäftigen. Die Bedeutung dieser Themen für das Institut war zunächst gering, nahm aber stetig zu: Das zeigt sich beispielsweise in der mit-initiierten Gründung des TeleTrusT-Vereins in der zweiten 80er-Hälfte.
In der gleichen Zeit entstanden die ersten größeren wirtschaftsgeförderten Projekte: Zusammen mit Siemens und Nixdorf arbeitete man an der ISDN-Entwicklung, im Auftrag der Deutschen Bundespost an X.509-Zertifikaten. Der Schwerpunkt der Institutsaktivitäten lag zu dieser Zeit jedoch immer noch im Bereich netzbasierter Zusammenarbeit. Damals firmierte diese Thematik noch unter dem Begriff »Telekooperation« und sollte ein wichtiger Anwendungsbereich des vor dem großen Durchbruch stehenden Internet werden.
Konsequenterweise wurde das Institut 1992 in das Institut für Telekooperationstechnik umbenannt. Leiter zu dieser Zeit war Prof. Dr. Heinz Thielmann, der die Industrieorientierung wesentlich verstärkte. Als einer der Pioniere der Chipkarten-Entwicklung beteiligt sich das Institut unter seiner Führung in den 90ern aktiv an der Entwicklung von Betriebssystemen für ressourcenschwache Geräte, entwickelte Module für Sicherheitsanwendungen – so z.B. die SECUDE-Software, die ab 1996 von dem gleichnamigen Unternehmen als Ausgründung des Instituts weiterentwickelt und vertrieben wird – und integriert Sicherheitstechnik in erste Internet-Anwendungen für Verwaltung und E-Government. Mit dem Aufkommen des Internets wurde IT-Sicherheit immer wichtiger, so dass es sich 1998 in das Institut für Sichere Telekooperation umbenannt hat. In dieser Zeit wurde in Darmstadt mit dem CAST-Forum ein Netzwerk etabliert, das bis heute erfolgreich für Austausch zwischen Forschung und Wirtschaft sorgt.
Fraunhofer fokussiert Sicherheit
Im Jahr 2001 erfolgt dann die Fusion der GMD mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Aus dem Institut in Darmstadt wird ein neues Fraunhofer-Institut, das im Jahr 2004 zum Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie wird, mit Prof. Dr. Claudia Eckert als alleiniger Institutsleiterin – der ersten in der Fraunhofer-Welt.
Mit ihr wird die IT-Sicherheit an der Technischen Universität Darmstadt fest verankert und auf allen Gebieten wesentlich vorangetrieben. Unter ihrer Leitung fokussiert sich das Fraunhofer SIT vollständig auf IT-Sicherheit. Es entstehen verschiedene Schwerpunkte und neue Forschungsgruppen wie z.B. zur Erforschung sicherer mobiler Systeme, und es werden wichtige Kooperationen wie z.B. mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI intensiviert. Sie initiiert im Rahmen des LOEWE-Programms des Landes Hessens die Gründung des Centers for Advanced Security Research Darmstadt (CASED), die 2008 erfolgt. Sie gründet auch den Institutsteil des Fraunhofer SIT in Garching bei München und nimmt einen Ruf an die Technische Universität München an. Der Institutsteil in Garching arbeitet so erfolgreich, dass er innerhalb kürzester Zeit im Jahr 2011 zur selbständigen Fraunhofer-Einrichtung für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC) wird.
Das Fraunhofer SIT in Darmstadt indes erhält im Oktober 2010 mit Prof. Dr. Michael Waidner einen neuen, international erfahrenen Leiter. Mit ihm kommt ein äußerst renommierter Wissenschaftler mit großer Industrieerfahrung, die er u.a. als CTO Security bei IBM in New York gesammelt hat. Zuvor hatte er bereits bei IBM Research in Zürich eine der weltweit renommiertesten Gruppen im Bereich IT-Sicherheit und Kryptografie aufgebaut und geleitet. Bereits nach kurzer Zeit in Darmstadt gelingt es ihm, das größte Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit in Deutschland mit Förderung durch das Bundesforschungsministerium zu gewinnen: das European Center für Security and Privacy by Design (EC SPRIDE), das im Oktober 2011 seine Arbeit aufnimmt. Unter seine Leitung fallen auch die sehr positive Evaluation von CASED und die daraus resultierende Verlängerung der Förderung wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Exzellenz durch das Land Hessen.
Seit Ende 2015 bündeln die bisher vom Bund (EC SPRIDE) und dem Land Hessen (CASED) finanzierten IT-Sicherheits-Forschungszentren ihre Kräfte im „Center for Research in Security and Privacy" kurz CRISP. CRISP wird 2019 verstetigt und erhält einen neuen Namen: Das Nationale Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit ATHENE ist eine Forschungseinrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft unter Beteiligung der Fraunhofer-Institute SIT und IGD sowie der Hochschulen TU Darmstadt und Hochschule Darmstadt. In einem bisher einzigartigen Kooperationsmodell von universitärer und außeruniversitärer Forschung betreibt ATHENE Spitzenforschung in allen Bereichen der Cybersicherheit.